Im ersten Teil unseres Ratgebers zur Niereninsuffizienz bei Katzen haben wir Dir wichtige allgemeine Informationen an die Hand gegeben und die Ursachen, Risiken, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten erläutert. Dabei sind wir näher auf die erste der beiden Formen von Niereninsuffizienz eingegangen, die akute Niereninsuffizienz (ANI). In diesem Teil unseres Ratgebers wollen wir Dir wichtige Informationen zur chronischen Niereninsuffizienz (CNI) an die Hand geben und deren Merkmale, Symptome, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten erklären.
Vorbeugung und Kontrolle sind wichtig
Tiermediziner raten dazu, Katzen ab dem siebten Lebensjahr wenigstens einmal im Jahr vorzustellen und die Blutwerte kontrollieren zu lassen. Dabei fallen auch erhöhte Nierenparameter wie Kreatinin und Harnstoff auf.
Die Katze scheint ganz normal und gesund zu sein. Sie frisst gut, das Fell glänzt. Nur trinkt sie in letzter Zeit etwas mehr. Aber das ist ja gut, oder? Leider nein. Vermehrter Durst, die Polydipsie, und vermehrter Urinabsatz, die Polyurie, sind immer Warnzeichen. Sie sind zum einen Begleiterscheinungen des Diabetes mellitus, zum anderen aber auch einer Niereninsuffizienz.
Am besten misst Du einmal genau nach, wie viel Deine Mieze täglich trinkt, indem Du kontrollierst, wie viel Milliliter Wasser aus dem Trinknapf verschwunden sind. Das kann dem Tierarzt einen ersten Hinweis geben. Grundsätzlich braucht eine Katze rund 50 Milliliter Flüssigkeit täglich pro Kilo Körpergewicht. Aber Achtung: Rund 80 Prozent dieses Bedarfs deckt sie über Nassfutter ab
So viel sollten unsere Katzen trinken
Ein Beispiel: Eine fünf Kilogramm schwere Katze benötigt rund 250 Milliliter Flüssigkeit pro Tag. Frisst sie nur Nassfutter, nimmt sie rund 200 davon über die Nahrung zu sich. Trinkt sie dennoch regelmäßig mehr als 50 Milliliter, musst Du auf jeden Fall den Tierarzt aufsuchen.
Der verstärkte Durst ist für viele Katzenmenschen das auffälligste Zeichen, dass mit den Nieren ihres Lieblings nicht stimmt. Bei guter Beobachtung kannst Du noch andere Hinweise feststellen.
Darauf solltest Du achten
Dein Veterinär hat mehrere Möglichkeiten, eine Nierenproblematik festzustellen. Zum einen wird der den Bauch und die Nieren abtasten und dabei fühlen, ob deine Mieze Schmerzsymptome zeigt. Da viele Tiere durch vermehrten Urinabsatz dehydrieren, also austrockenen, zieht der Arzt im Nacken eine Hautfalte hoch. Die darf nicht „stehen bleiben“, sondern muss zurückspringen. Ein Ultraschall des Bauchraums gibt Aufschluss über die Größe und Beschaffenheit der Nieren. Bei einer Insuffizienz sind die Nieren oft auffällig verkleinert oder geschrumpft.
Im Blut einer nierenkranken Katze gibt es einige Werte, auf die der Mediziner immer zuerst schaut. Das sind Kreatinin (KREA), Harnstoff (UREA), Phosphat und der Urin-Protein-Quotient (UPC), die alle meist erhöht, während Kalium und Calcium zu niedrig sind. Jedes Labor hat andere Referenzintervalle und Grenzwerte, aber sind Kreatinin- und Harnstoffwerte erhöht, ist das ein sicheres Zeichen für eine Nierenproblematik. Der UPC zeigt an, ob die fellige Patientin Eiweiß mit dem Urin ausscheidet. Kreatinin und Harnstoff sind sogenannte „harnpflichtige“ Stoffe, also Abfallprodukte des Stoffwechsels, die ausgeschieden werden müssen.
Die Website für Nierenerkrankungen
Es gibt eine hilfreiche Website, wenn Du Näheres über Nierenerkrankungen wissen willst: www.felinecrf.info Hier erfährst Du alles rund um das Thema Katzen und Nieren. Die Seite ist außerordentlich umfangreich, aber sehr gut gegliedert, sodass Du nach speziellen Schwerpunkten suchen und Dich informieren kannst.
Bild 2 ältere Katze
Lange Zeit war der Kreatininwert der einzige Marker für eine mögliche Niereninsuffizienz. Kreatinin ist ein Abbauprodukt des Kreatins, das bei der Muskelarbeit entsteht. Es soll eigentlich über die Nieren und den Urin ausgeschieden werden. Bei gesunden Tieren ist der Wert relativ stabil und nicht erhöht. Leider aber zeigt der Kreatininwert im Blut erst sehr spät eine Schädigung der Nieren an. Auffällig wird er erst dann, wenn schon 60 bis 70 Prozent der Nephrone geschädigt sind. Deshalb geben die meisten Labore noch einen anderen Früherkennungswert an, den SDMA. Das steht für „Symmetrisches Dimethylarginin“ und stammt aus dem Eiweißabbau.
Warum der SDMA wichtig ist
Anders als Kreatinin ist der SDMA ein Indikator, der sehr frühzeitig Alarm schlägt. Schon, wenn 25 Prozent der Nierenfunktion verloren sind, kann er bereits anzeigen3.
Laut IDEXX, dem Labor, das den SDMA vor einigen Jahren als Erstes für die Diagnostik einführte, hilft er zuverlässig dabei, Nierenerkrankungen frühzeitig zu erkennen. Danach wird dieser Wert nicht von extrarenalen Faktoren wie Muskelmasse oder Ernährung beeinflusst4. Und er soll rund zweieinhalbmal so viele Nierenerkrankungen aufdecken können wie der Kreatininwert5. Ein weiterer wichtiger Wert zur Beurteilung ist der Harnstoff, im Blutbild des Labors oft unter der Abkürzung UREA zu finden.
Manchmal siehst Du im Laborbefund vielleicht auch die Abkürzung BUN, Das steht für „blood urea nitrogen“ also für Blut-Harnstoff-Stickstoff. Er wird in der Diagnostik synonym zu Harnstoff mit der Abkürzung UREA verwendet. Der Harnstoff variiert, je nachdem welche Nahrung die Katze frisst. Gemeinsam mit SMDA und KREA ist er einer der Indikatoren für eine Nierenproblematik.
Bluthochdruck muss behandelt werden
Eine der Nebenwirkungen einer chronischen Niereninsuffizienz ist ein erhöhter Blutdruck, eine Hypertonie. Der Tierarzt kann ihn messen - mit einer speziellen Manschette für Katzen. Der systolische Blutdruck sollte bei 110 bis 140 mmHg, der untere Blutdruck bei 60 – 80 mmHg liegen. Unbehandelt kann ein zu hoher Blutdruck zu Schäden an der Netzhaut, einer Retinopathie, führen. Die Katze kann erblinden. Dein Tierarzt kann mit speziellen Blutdrucksenkern therapieren.
Die International Renal Interest Society (IRIS) teilt den Verlauf einer chronischen Niereninsuffizienz in vier Stadien.
Stadium eins: Der Kreatininwert und der SDMA sind unter dem Referenzwert. KREA ist unter µmol/l und SDMA ist µg/dL. Es liegt keine Azotämie vor, es werden also keine harnpflichtigen Stoffe im Blut nachgewiesen. Der Blutdruck ist noch in der Norm. Die Katze wirkt gesund, Nierentätigkeit liegt bei einem Drittel bis zu 100 Prozent
Stadium zwei: Es liegt eine geringe Azotämie vor, die Nieren beginnen, ihre Form zu verändern. Es gibt milde Symptome und möglicherweise fällt Dir auf, dass Deine Katze mehr trinkt. KREA liegt zwischen 140 und 250 µmol/l und SDMA zwischen 14 und 25 µg/dL. Nierentätigkeit bei 26 bis 33 Prozent
Stadium drei: Mittelgradige Azotämie, deutliche Symptome, KREA 251–440 µmol/l und SDMA über 45 µg/dL. Nierentätigkeit beträgt nur noch 25 Prozent der Normalfunktion. Es kommt zu Appetitmangel, Erbrechen, Abmagerung und das Fell ist struppig.
Stadium vier: Hochgradige Azotämie. KREA über 440 µmol/l. Schwere Symptome sind: häufiges Erbrechen, Futterverweigerung, Übelkeit, starker Durst, Austrocknung, Geruch nach Urin aus dem Maul, Schwäche6.
Leider muss klar gesagt werden, dass es keine Heilung für diese Nierenerkrankung gibt. Nierenzellen können sich nicht erneuern. Je mehr Nephrone verbraucht sind, desto mehr schreitet die Erkrankung voran. Die Filterfunktion der Nieren kann nicht aufrechterhalten werden und es kommt zu immer größerer Schwäche und schließlich zu einem Organversagen
Es gibt kein Medikament, das die Nieren heilen kann. Sehr wohl aber Maßnahmen, die deiner felligen Freundin helfen, möglichst lange und mit guter Qualität zu leben.
Hilfreiche Maßnahmen
Je früher die Symptome richtig erkannt werden, desto eher kannst Du mit diesen Hilfen beginnen – und sie können viel bewirken.
Vielleicht bist Du auf der Suche nach Mitteln, die deiner Samtpfote helfen können, auf Semintra gestoßen. Der enthaltene Wirkstoff Telmisartan senkt den arteriellen Blutdruck. Er trägt aber vor allem dazu bei, die Proteinurie, die Eiweißausscheidung über die Nieren, und Gewichtsverlust zu vermindern. Semintra ist eine Flüssigkeit, die Du der Mieze ins Maul oder über das Futter geben kannst7.
Wenn die Nierenleistung abnimmt, sammeln sich immer mehr urämische Toxine, also giftige Produkte des Eiweißstoffwechsels, im Blut an. Eines dieser Toxine ist Indoxylsulfat. Das zeigt einerseits das Fortschreiten der Erkrankung an, andererseits gilt es selbst als nierenschädigend. Durch einen Adsorber wie Porus® One sollen Vorstufen von Indoxylsulfat aufgefangen und über den Darm ausgeschieden werden. Am besten, Du fragst Deinen Tierarzt nach beiden Präparaten, aber es gibt erste Ergebnisse, dass durch diesen Adsorber der Verlauf der Erkrankung gehemmt werden kann8.
Das Thema Homöopathie wird immer heiß diskutiert – je nach eigener Einstellung zu alternativer Medizin gibt es Tierhalter, die sie begeistert loben oder vehement ablehnen. Es gibt keine empirischen Studien, die den Effekt von homöopathischen Medikamenten über einen Placebo-Effekt nachweisen. Ob es für Tiere einen Placebo-Effekt gibt, lässt sich in keiner Form nachweisen. Oft geht es bei homöopathischer Behandlung darum, dass man Tierhalter/innen in die Lage versetzt, etwas für ihre Katzen zu tun. Das steigert Ihre Zuversicht bei der Behandlung einer Krankheit und das kann sich auch positiv auf das Wohlbefinden der Haustiere auswirken.
Deshalb empfehlen beim Thema Niereninsuffizienz manche Veterinäre SUC. Das steht für drei verschiedene Mittel in flüssiger Form. Solidago compositum, Ubichinon compositum und Coenzyme compositum9. Die drei Ampullen werden zusammengemischt. Aus jeder Ampulle nimmst Du die Hälfte, also jeweils einen Milliliter und ziehst ihn in eine Einwegspritze. Den Inhalt kannst Du subkutan, also unter die Haut spritzen, aber auch oral, ins Maul geben oder mit einer kleinen Portion Futter.
Im Alter haben Katzen oft nicht nur eine, sondern mehrere gesundheitliche Baustellen. Schilddrüsenüberfunktion und Pankreatitis sind ebenfalls typische Alterserkrankungen der Katzen. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion spricht man davon, dass sie eine CNI „maskiert“, also verdeckt. Wenn die Schilddrüse gut eingestellt ist, kann es sein, dass die angeblich guten Nierenwerte plötzlich ansteigen, weil die Schilddrüse die Niere nicht mehr ständig antreibt.
Lebenserwartung einer Katze mit CNI
Diese Angaben sind bestenfalls Richtwerte, die Dich nicht verunsichern sollten. Jede Katze ist individuell und anders und bei allen Erkrankungen spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle.
Wenn auch die chronische Niereninsuffizienz mit Abstand die häufigste Erkrankung bei den Pelzigen ist, so gibt es doch auch andere - die manchmal tatsächlich mit der Rasse zusammenhängen.
Die Glomerulonephritis Das ist eine Entzündung der Glomeruli, der Filtereinheiten der Niere. Sie kann akut oder chronisch auftreten. Kennzeichnen ist ein massiver Eiweißverlust über den Harn, der auffällig schäumt. Der Urin-Protein-Quotient ist erhöht, die Katze trinkt viel und scheidet viel Urin aus. Dein Tierarzt wird medikamentös versuchen, den Eiweißverlust zu stoppen und die Entzündung zu beenden10.
Die Amyloidose Sie kommt gehäuft bei Abessiniern, Somali, Siamesen und Thaikatzen vor. Deshalb scheint klar zu sein, dass es sich um eine genetische Veranlagung handelt. Dahinter steht eine unheilbare Stoffwechselstörung bei erwachsenen Katzen, bei der sich Eiweiße in den Organen ablagern und sie zerstören. Davon betroffen werden die Leber und die Niere – die Symptome ähneln denen einer Niereninsuffizienz
Die Polyzystenniere Hier gibt es einen ganz klaren Zusammenhang zur Rasse: Bei Persern wird die Zystenniere, auch Poly Kidney Disease (PKD) genannt, vererbt. Sie haben das höchste Risiko, zu erkranken. Rund ein Drittel aller Perserkatzen weltweit sind davon betroffen und können es weitervererben. Aber auch bei anderen Rassen, in die Perser eingekreuzt wurden, etwa Britisch Kurzhaar, kommt PKD vor. Die Zysten wachsen im Laufe der Zeit und behindern die Arbeit von Niere und Blase.
Die Symptome einer PKD
Die Therapie entspricht einer Niereninsuffizienz und eine Heilung ist leider nicht möglich.
Die Diagnose einer Nierenerkrankung unserer geliebten Katzen trifft jeden und jede von uns hart. Der Schock ist groß und die Angst ebenso. Auch wenn es bis heute keine heilende Therapie gibt – Hoffnung gibt es immer und viele Katzen können trotz Erkrankung und mit angemessener Unterstützung dennoch sehr alt werden.
Da dieser Teil hier schon sehr umfangreich ist, werden wir uns in einem weiteren Artikel mit dem Thema Ernährung bei Nierenerkrankungen beschäftigen. Bis dahin hoffen wir, dass Dir der Artikel geholfen hat. Wir haben noch viele andere Inhalte rund um das Thema “Katze” für Dich und freuen uns, wenn Du noch etwas herumstöbern möchtest.
Hoch die Tatzen! Und bis zum nächsten Mal.
Euer Sammy
Quellen:
3www.idexx.de
4Hall JA, Yerramilli M, Obare E, Yerramilli M, Yu S, Jewell DE. Comparison of serum concentrations of symmetric dimethylarginine and creatinine as kidney function biomarkers in healthy geriatric cats fed reduced protein foods enriched with fish oil, L-carnitine, and medium-chain triglycerides. Vet J. 2014;202(3):588–596.
5International Renal Interest Society. 2015 IRIS CKD Staging Guidelines. www.iris-kidney.com/guideline
6https://www.idexx.de/files/iris-guidelines-katze-de-de.pdf
7https://www.vetpharm.uzh.ch/tak/06000000/00063045.01
8https://cat.life/indoxylsulfat-darm-nieren-achse/
9https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0034-1384498
10https://www.tierklinik-in-berlin.de/f%C3%BCr-tierbesitzer/glomerulonephritis-bei-hund-und-katze/